Wenn schon wieder eine Veränderung ansteht
Von Michael Timmermann, veröffentlicht am 12 April 2024
Ein Teamleiter fragte hilflos: „Was soll ich denen denn diesmal erzählen?“ Es war klar, dass Veränderungsmüdigkeit um sich greift. Ständig etwas der Belegschaft „verkaufen“ zu müssen, macht die Identifikation mit den Zielen der Veränderung immer schwerer.
Denn eine der größten Gefahren bei Veränderungsprozessen ist die Hoffnung darauf, dass danach für immer alles gut ist. Nach der Veränderung ist immer auch vor der Veränderung, und Mitarbeitende verlieren das Vertrauen, wenn versprochen wird, dass dieses Mal der Turnaround dauerhaft geschafft wird, aber danach der nächste Change nötig wird.
Die Bereitschaft sich Veränderungen zu stellen und mitzuziehen nahm immer weiter ab. Genauso das Vertrauen in die Führungskräfte. Dabei hatten viele der Änderungen ihr Ziel erreicht: das Unternehmen zu sichern – auch für die Mitarbeitenden.
Timmermann unterstützte einen Klienten der Kunststoff-Industrie, bei dem die Mitarbeitenden besonders viel hintereinander abbekommen hatten. Das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gegründete Traditionsunternehmen mit einer stolzen Geschichte als Innovator, hatte alleine in den letzten Jahren Veränderung nach Veränderung mitgemacht, und die Belegschaft erinnerte sich an jede einzelne: Erst kam die Übernahme durch einen Private-Equity-Investor, gefolgt vom Verlust des identitätsstiftenden Unternehmensnamens bei der Eingliederung in das neue Unternehmen. Später dann die Wiedereinführung des ursprünglichen Namens. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kam es immer wieder zu finanziellen Opfern der Belegschaft und neuen Betriebsvereinbarungen. In der Rolle als unwichtige und wegen Unwirtschaftlichkeit ungeliebter Geschäftsbereich des Mutterunternehmens entstand eine Opfer-Identität, die etwas dadurch gemildert wurde, dass unter dem geliebten Originalnahmen gearbeitet wurde. Das änderte sich schon wieder, als der Geschäftsbereich im Rahmen eines Carve-outs und der Fusion mit einer Sparte eines Wettbewerbers zu einem neuen Unternehmen – in den erneuten Verlust des Traditionsnamens mündeten.
„Die wollen uns doch verarschen“ war einer der O-Töne.
Ein Teil der Lösung war, erst einmal die Gefühle zuzulassen und ernst zu nehmen, statt die Dinge schönzureden. Das gute Vertrauensverhältnis der Mitarbeitenden zu den direkten Teamleader*innen wurde gestärkt, indem diese in die Lage versetzt wurden nicht nur die neuen Veränderungen zu „verkaufen“, sondern sie als Teil einer gemeinsamen Geschichte nicht nur zu erzählen, sondern weitererzählbar zu machen. Dazu wurden bestehende Dialogformate genutzt, um auch durch „Momente der Wahrheit“ das Vertrauen in die Geschäftsführung zu stärken.
Die überstandenen Veränderungen wurden als Beweis für die eigene kontinuierliche Veränderungsfähigkeit um-erzählt und nicht als eine Reihe von Kontinuitätsbrüchen.
Eines ist klar: an Veränderungsmüdigkeit lässt sich etwas ändern. Das Geheimnis liegt darin, dass Menschen sich nicht als Opfer von Change ansehen wollen, sondern als Handelnde die Veränderung gestalten.